ZO/AvU DIENSTAG, 7. JUNI 2011 REGIONALKULTUR l 9
Uster. Die Malerin Lydia van den Berg stellte ihre Werke kürzlich in New York aus und
kehrte via Australien in ihre neue, alte Heimat Uster zurück.
KUNTERBUNTE FANTASIEWELTEN
von Bernadette Reichlin
Ein Ballett von Türmen und, so scheint es, die Malerin mittendrin,ein Sternenhimmel, von dem auch die Sonne lacht, Fabelwesen, die sich im Wasser tummeln – Lydia van den Bergs Arbeiten sind Bildergeschichten voller Farbe und Bewegung. Es sind eigentliche Traumwelten, kunterbunte Tore zu einem fantastischen Paradies. «Sie müssen ein glücklicher Mensch sein», habe ein Besucher an der Vernissage im New Yorker Galerieviertel Chelsea auf Manhattan zu ihr gesagt, erzählt die Künstlerinin ihrer Familienwohnung in Uster.
Hier wohnt sie wieder seit einigen Monaten. Wieder, denn vor ein paar Jahren wanderte die Familie mit den beiden Kindern nach Australien aus. Und dort entstanden diese farbigen, intensiven Bilder mit dem ganz speziellen Folkloretouch. Einer Galeristin der Agora Gallery in New York gefielen die Arbeiten so gut, dass sie Lydia van den Berg zu einer dreiwöchigen Ausstellung einlud.
Kunst im Kinderzimmer
Und, ist sie ein glücklicher Mensch? Lydia van den Berg wird ernst bei dieser Frage. Sie habe, gerade auchin Uster, schwere Zeiten erlebt und damals versucht, diese gestalterisch zu reflektieren. In einer Mappe liegen Zeichnungen aus diesen Jahren. «Zyklus unter meiner Haut» nennt sie die abstrakten, mal ornamentalen, dann wieder sehr organischen Formen, die sie als zeichnerische Selbstgespräche bezeichnet. Sie sind, im Nachhinein gesehen, ein Bindeglied von ihren früheren abstrakten Arbeiten zu den Bildern von heute, die sie mit «magisch-poetischem Realismus» umschreibt.
Die Wende kam mit einer neuen Beziehung und ihrer ersten Schwangerschaft. Sie wollte das Kinderzimmer bunt und anregend gestalten, fand aber nirgends die Dekorationen, die ihr vorschwebten. «Warum malst du nicht selber etwas?», habe sie ihr Mann gefragt – und ihr damit einen neuen küstlerischen Weg aufgezeigt. Denn was aus der Idee entstanden ist, übersteigt den Begriff Dekoration bei Weitem, ist ein eigenständiger, sehr persönlicher Stil geworden, bei dem Farben, Linien und Formen zu rhythmischen Bilderreigen werden.
Perspektivenwechsel
Es ist Kunst zum Anfassen, es sind Bilder, die sowohl ihre beiden Buben wie auch das anspruchsvolle Publikum in New York ansprechen. Und genau das will die Künstlerin mit ihrer Arbeit erreichen: «Ich wünsche mir, dass Kunst in den Alltag integriert wird, dass Schönheit überall Platz findet. Kunst in Galerien und Museen erreicht viel zu wenig Menschen. Schon Kinder müssen mit Kunst aufwachsen –Kunst muss zu den Leuten kommen, nicht umgekehrt.»
Diesem Grundsatz versucht sie nachzuleben, so wie sie auch in ihren Bildern Grenzen zu überschreiten versucht. Nicht nur, dass sie in einem Bild plötzlich die Perspektive oder den Blickwinkel ändert, dass sie gestalterische Regeln im wahrsten Sinn des Wortes auf den Kopf stellt, sie malt ihre Bilder auch grenzenlos, bis ganz an den Rand, in die Ecken, ja manchmal auf der Rückseite weiter. «Ich bin ein Sturkopf mit eigenen Regeln», lacht die Künstlerin, die nun in ihrem neuen Heim in Uster auf ganz kleinem Raum weiter an ihren fantastischen Bilderwelten arbeitet. Und im Stillen hofft sie, dass eine ihrer nächsten Ausstellungen nicht weit weg, sondern ganz nahe bei ihrem neuen Lebensmittelpunkt stattfinden wird. Weil Kunst zwar Grenzen überwindet, aber doch auch Heimat braucht.
Bildausschnitt eines der typischen farbenfrohen Werke der Malerin Lydia van den Berg, die heute wieder in Uster lebt.
PUBLISHED BY Zürcher Oberland Medien AG, 2011
WRITEN BY Bernadette Reichlin
PHOTO IMAGE No Boundaries – 18”x 25”, Acrylics on French Paper BFK Rives, Solo Exhibition AGORA Gallery “No Boundaries”, Manhattan, 2011