Kunst aus Büchern und Ordner
By Renato Bagattini
Lydia und Pedro Kobler stellen in der „Sonne“ in Uster aus
Mit Büchern und Ordnern arbeitet das Künstlerpaar Lydia und Pedro Kobler. Jetzt sind die beiden in einer gemeinsamen Ausstellung in Restaurant Sonne in Uster zu sehen; sie dauert bis Ende Juli 1998.
Wenn die Ustermerin Lydia Kobler einen schmalen Ordner zur Hand nimmt, wird der sich schon bald in ein Kunstwerk verwandeln. Und wer nicht ganz genau hinschaut, der übersieht dann leicht, was das aufgehängte Bild überhaupt einmal war. Dennoch bleibt an den Arbeiten alles deutlich sichtbar, was einmal auf einen Ordner hingewiesen hatte. Und: Der Ordner selbst – inzwischen in den buntesten Farben bemalt – ist nach wie vor als exklusiver Bilderhalter brauchbar.
Farbenfroher Ausdruck
Die Künstlerin lässt sich auf keinen Stil festlegen. Für Ihre Arbeiten wählt sie abstrakte wie auch figurative Motive. Doch eines haben die Bilder gemeinsam: Sie werden geprägt von einer farbenfrohen Ausdrucksweise. Lydia Kobler verwendet die Farben nicht nur als Deckelement, sondern trägt sie oft in ausgesprochenen dicken Schichten auf den Träger auf. Damit erhalten die Arbeiten eine weitere Dimension und sehen aus wie Reliefs. Ebenfalls von der Künstlerin stammen die Einbände für die Speisekarten des Restaurants. Nur sind das nun keine umgedrehten Ordner mehr, sondern zwei A4 – Holzbrettchen, die mit drei Scharnieren klappbar gemacht worden sind.
Ebenfalls zu sehen sind Skulpturen und Installationen des Künstlers Pedro Kobler. Unter dem Pseudonym „ Cabaret Coblaire“ zeigt er sechs Arbeiten, die alle das Buch als Ausgangsmaterial zur Grundlage haben. Diese Druckwerke bearbeitet Kobler auf recht eigenwillige Weise und schickt sie damit auf eine künstlerische Reise. Der Künstler scheut sich nicht, einen radikalen Bruch mit dem geschriebenen Wort vorzunehmen. So zersägt oder durchsticht Kobler die dicksten Wälzer, setzt die einzelnen Teile, die manchmal aussehen wie Kekse oder ein Stück Kuchen, wieder zusammen und lässt damit Objekte und Skulpturen entstehen. „Schmetterling“ nennt Kobler eine Arbeit.
Dabei hat er ein dickes Buch zerschnitten und die einzelnen Teile wieder auf eine Weise zusammengefügt, dass der Eindruck erweckt wird, ein Schmetterling sei entstanden. Diese Skulptur ist vielleicht die deutlichste Arbeit des Künstlers, wenn es darum geht, die Metamorphose eines Buches zu beobachten.
Kritische Arbeiten
Andere Arbeiten sind denn auch von wesentlich kritischerer Natur. „ Saatrecht“ etwa, bei der Kobler das Schweizerische Bundes – Staatrecht, einen vielhundertseitigen „ Schminken“ als Vorlage nimmt und diese mit einem Stechholz, das normalerweise für das Setzen von Setzlingen verwendet wird, gnadenlos durchbohrt. „ Gottfried’s Teller“, ein anderes weiteres Beispiel, ist eine Installation, bei der der Künstler, ein paar alte Bücher – notabene mit Frakturschrift gedruckt – von Gottfried Keller an ein vertikales Brett nagelt. Ein Teller – Wortspiel zu Keller – schliesst das Werk nach unten hin ab. Weitere Arbeiten tragen die Tittel „ Völker an der...“ , „ Hammerbuch“ und „ Churchill’s Christbaum“.
PUBLISHED BY Newspaper - Anzeiger von Uster, 1998
WRITEN BY Renato Bagattini - Uster, Switzerland
PHOTO IMAGE Search the Form 16, Papier – Mache on Display Folder, 1997